PREDIGT zum Fest des Hl. Stefanus 1988 - Lesejahr C


Vorbemerkungen:

Diese Predigt ist eine gekürzte Version einer Predigt, die ich 3 Jahre zuvor in Wiesbaden hielt. 1988 war ich bereits in Bad Endbach-Hartenrod.


Schrifttexte: Apg 6,8-10;7,54-60 (Steinigung des Stefanus) - Mt 10,17-22 (Warnung vor Verfolgung)

Liebe Gemeinde,

wenn man die heutigen Worte der Schrift hört, könnte sich so mancher denken: Mein Gott, auf was habe ich mich da eingelassen?

Im Evangelium warnt Jesus die, die Christen werden wollen und, malt die Bedingungen des Christseins in düsteren Farben: Menschen werden Euch vor Gerichte bringen und auspeitschen, Brüder werden einander dem Tod ausliefern, Kinder werden ihre Eltern in den Tod schicken. Die Menschen werden euch hassen, nur weil ihr Christen seid.

In einem Werbeprospekt für Kircheneintritte sollte man diese Schriftstelle tunlichst weglassen.

Noch schlimmer wird es in der Lesung aus der Apostelgeschichte: Das was Jesus vorhergesehen hatte, wird wahr: Ein Mensch muß sein Leben lassen, weil er Christ ist und wie ein Christ lebt und davon nun einmal nicht abläßt.

Nein, zur Werbung für den Eintritt in die Kirche sind die heutigen Texte völlig unbrauchbar. Und natürlich sind diese Texte dazu auch nicht gedacht.

Als die Texte geschrieben wurden, in beiden Fällen dürfte es sich um die Jahre zwischen 75 und 90 nach Christi Geburt handeln, erlebten Christen diese Dinge: Sie wurden verfolgt, gehaßt und häufig auch zum Tode verurteilt. Sie endeten in vielen Fällen am Galgen oder gar im Zirkus, den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen. Die Christen wurden verfolgt. In dieser Situation wurden die heutigen Bibeltexte geschrieben und sollten Mut machen, zu Jesus Christus, zum Herrn zu stehen, auch wenn man was dafür einsetzen, was riskieren muß. Sie sollten zeigen, daß ein Christ in Situationen, in denen er verfolgt oder angegriffen wird, nicht klein beigeben soll, sondern daß er zu seinem Christsein stehen soll.

Nun könnte man sicherlich sagen: Schön und gut, aber was hat das heute mit uns zu tun, hier in der Bundesrepublik. Schließlich garantiert uns unsere Verfassung Religionsfreiheit. Christen werden nicht mehr verfolgt.

Es ist sicherlich richtig, daß kein Christ in unserem Staat fürchten muß. auf Grud seines Christseins verurteilt oder gar zu Tode verurteilt zu werden. Andererseits habe ich es aber selbst schon erfahren müssen, daß man als Christ, wenn man sich zur Kirche bekennt, Spott, Hohn und Unverständnis ausgesetzt ist.

Sicher sind in der Bundesrepublik noch die Mehrheit aller Einwohner getauft, obwohl längst nicht mehr alle Kinder getauft werden oder einer anderen Religionsgemeinschaft angehören. Aber wenn man die Zahl derjenigen betrachtet, die in die Kirche gehen, die aktiv am Leben einer christlichen Gemeinde teilnehmen, dann ist es bei weitem weniger als die Hälfte. Da bleiben vielleicht noch -je nach Gegend- 10 bis 30 Prozent übrig. Und da kann es schon vorkommen, daß man mitleidigen Blicken oder gar höhnischem Gelächter ausgesetzt ist, wenn man sagt: Ja, ich gehe regelmäßig zur Kirche. Ebenso kann es gehen, wenn ich im Beruf nicht die Ellenbogen benutze, um vorwärts zu kommen, sondern den Menschen mit Liebe und Rücksicht begegne, oder wenn ich jemandem verzeihe, statt auf mein Recht zu pochen.

Ich denke, diese wenigen Beispiele zeigen, worum es bei den heutigen Schriftstellen geht: Auch dann, wenn es nicht zu meinem Vorteil oder Ansehen gereicht, soll und muß ich als Christ so reden und handeln, wie es mir mein gläubiges Gewissen sagt. Das heißt für mich eben auch einmal, Zivilcourage zu zeigen und gegen den Strom zu schwimmen. Und in einer Gesellschaft, in der Werte wie Ruhm, Geld, Macht, Ansehen und Leistung an obersten Stellen stehen, bleibt es nicht aus, daß ein Christ belächelt wird, weil für ihn Nächstenliebe und Achtung vor dem Anderen wichtiger sind als diese Werte. Das Gedenken an den Heiligen Stephanus soll uns ermuntern, unseren Weg, den Weg Christi, unerschrocken weiterzugehen.

AMEN.


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