PREDIGT zum Fest der Hl. Familie 1983 (Frankfurt) / 1985 (Wiesbaden)


Vorbemerkungen:

Als ich die Predigt zum ersten Mal hielt,kamen während des Busaktes in einer Besinnung drei Dias zum Einsatz: 1. Das traditionelle Bild der hl. Familie; 2. Eltern vor dem Richter - Streitgegenstand: Die Kinder; 3. Maria unter dem Kreuz Jesu. Später wurden diese drei "Bilder" - mangels technischer Ausstattung - lediglich im Bußakt erwähnt. Der hier wiedergegebene Text entspricht weitestgehend der "Urfassung".


Schrifttexte: Sir 3,2-6.12-14 - Lk 2,41-52 (Der 12jährige Jesus im Tempel)

Zunächst scheint es ein krasser Gegensatz zu sein: Auf der einen Seite, die wir alle allzugut kennen und erleben:

Die Scheidungsrate steigt. Ehen gehen zu Bruch. Die Kinder werden per Gesetz aufgeteilt, unter Umständen werden Geschwister auseinander gerissen. Gesetzlich geseheri gilt eine Ehe nach schon einem Jahr Trennung als gescheitert.Aber nicht nur die Scheidungsrate ist alarmierend: Da gibt es Familien, in denen die Kinder mißhandelt weren, in denen die Männer ihreFrauen schlagen oder auch umgekehrt. Da gibt es Familien, die nach außen noch Einheit zeigen, innerlich sich aber nichts mehr zu sagen haben ...

Und es gibt auch Familien, die zusammenstehen, durch so manche Spannung und Krise hindurch. Es gibt sogar Ehen ohne die Besiegelung durch Vater Staat, Ehen ohne Trauschein, in der die Spannungen des Lebens gemeinsam in Treue überwunden werden.

Auf der einen Seite also Ehe, wie sie sich real unserer Welt, in unserer Gesellschaft zeigt.

Aber auf der anderen Seite ist jenes Bild, zu Beginn des Bußaktes haben wir es gesehen, daß einem gerne am FEST DER HL. FAMILIE zunächst in den Sinn kommt: Da ist das liebe lächelnde Kind, die erfreute Mutter und der stolze Vater, liebevoll zueinander gruppiert. Ein Bild, das in manchen Weihnachtsliedern anklingt, wie. z.B. "Stille Nacht, Heilige Nacht." Eine vollkommene Idylle, durch nichts getrübt und in Frage gestellt.

Aber beim näheren Hinsehn stellt sich dann doch die Frage: War die Familie Josefs wirklich eine heile Familie ohne Streit, ohne Spannungen? Lief bei dem 'Zimmermann aus Nazareth das Familienleben wirklich ganz reibungslos in steter Harmonie ab?

Ich glaube nicht ganz: Einige Punkte nur möchte ich zu bedenken geben.

Wir kennen die Erzählung aus der Bibel: als Josef erfährt, das seine Verlobte schwanger ist und er nicht weiß, wer der Vater ist, trägt er sich mit dem Gedanken, Maria zu verlassen. Das wäre noch jüdischem Recht selbst nach der Eheschließung noch möglich gewesen. Er hätte nur rechtens gehandelt angesichts einer solchen Ungeheuerlichkeit.

Und dann das heutige Evangelium: Der junge Jesus setzt sich von seinen Eltern ab, um eigene Wege zu gehen. Er sagt Ihnen nicht bescheid und ist drei Tage nicht bei den Eltern. Überlegen Sie einmal wie Sie darauf reagierien würden, wenn Ihr Sohn, Ihre Tochter nachts nicht daheim ist ... und genau so haben die Eltern Jesu auch reagiert: "Sie gerieten außer sich!". Und als sie nach dem Grund fragten, verstanden sie ihren Sohn nicht! Auch das dürfte für Mütter und Väter unter Ihnen keine ungewöhnliche Erfahrung sein. Der natürliche Konflikt zwischen den Generationen auch im Leben Jesu!

Dann bei der Hochteit zu Kanaa: Maria richtet an Jesus eine Bitte und er faucht zurück: "Was ich zu tun habe, ist meine Sache und nicht Deine!" Wie wir wissen, erfüllt er die Bitte seiner Mutter dann doch.

Und dann wird dieser Jesus kein Zimmermann, wie es der Vater war, sondern zieht mit Leuten seines Alters, er ist dann schon erwachsen, durch das Land. Er geht keinem anständigen Beruf nach, kümmert sich nicht um seine Zukunft und lebt von dem, was er gerade so bekommt, sozusagen aus der Hand in den Mund. Und dann erdreistet er sich auch noch, keine Zeit für seine Eltern und seine Geschwister zu haben, als diese zu ihm wollen: "Wer ist denn meine Mutter? Wer sind denn meine Brüder?"

Ich kann mir vorstellen, daß seine Eltern, bzw. seine Mutter - Josef scheint früh verstorben zu sein - sicher nicht erfreut über den Lebenswandel Jesu waren, der ihn nur in Konflikt mit Kirche und Staat, mit religiöser und politischer Obrigkeit führen konnte. Ich kann mir vorstellen, daß manche von Ihnen ähnliche Befürchtungen im Hinblick auf Ihre Söhne oder Töchter haben.

Ich denke, so manche der Probleme, die wir in Ehe und Familie tagtäglich erleben, erkennen wir in der "Hl. Familie" wieder.

Aber was ist denn dann das "Heilige" an dieser Familie? mögen Sie sich nun -mit Recht!- fragen.

Ich denke, das hat sich im dritten Dia des Bußaktes gezeigt:

Heilig hat hier weniger etmas mit "heiler" Welt zu tun. Heiligsein, und Paulus nennt uns alle, die wir Christum folgen, "heilig", hat etwas mit der Art und Weise zu tun, wie mir in dieser Welt leben, wie mir mit den Spannungen, mit den Anforderungen und Anfragen dieser Welt an uns umgehen!

Auch das dritte Dia, Maria unter dem Kreuz, zeigt hl. Familie, deren Fest wir heute feiern. Auch das ist ein Familienbild! Und zwar ist das DAS Familienbild, welches genau das besondere eben dieser Familie Jesu zeigt. Erst durch dieses Bild ist zu verstehen, warum die Hl. Familie einen solchen Beispiel- und Vorbildcharakter für uns hat:

Es zeigt, daß die Teile der Familie den Spannungen nicht ausgewichen sind. Sie haben sie ausgehalten bis zum Ende. Und das wichtigste, und das zeigt gerade dieses Bild, sie haben zueinander gestanden bis zum bitteren Ende: Gut, vom Vater Jesu wissen mir nicht sehr viel. Nach einer alten außerbiblischen Überlieferung war schon tot.

Jesus selbst steht im Tod nocheinmal zu seiner leiblichen Familie, indem er dafür sorgt, daß die Lücke, die ohne ihn entsteht, geschlossen wird: Johannes soll fortan die Rolle des Sohnes einnehmen und für die Mutter sorgen. Und gerade Maria steht auch in dieser Stunde, nach den Spannugen, die ich eben ermähnte, zu Ihrem Sohn. Und zwar in einer Art und Weise, die Hochachtung verdient: Sie steht ja nicht nur unter dem Kreuz, nein sie schließt sich auch der Jüngerschar an und tritt das Erbe Jesu an. Nach seinem Tod steht sie zu den Ideen und Lehren Ihres Sohnes, die sie früher vielleicht nicht immer verstanden hat.

Um es mit einem Wort zu sagen: Das "Heilige" an dieser Hl. Familie ist TREUE, ist Loyalität. Und mit Treue meine ich hier nicht nur die rein körperliche Treue, wie es viele heute ausschließlich verstehen, sondern jene eher geistige Treue, die zu dem anderen auch in Spannungen steht, auch dann, wenn man ihn und sein Verhalten mal nicht versteht. Als mir heirateten, versprachen wir unseren Partnern die Liebe, die Zuwendung auch in schweren Zeiten!

Auf diese so verstandene TREUE kommt es an. Da kann es durchaus einmal vorkommen, und das muß wohl auch so sein, das Eltern Ihre Kinder nicht mehr verstehen, daß der eine Partner einmal eigene Wege geht, andere Wege probiert, daß die Kinder mit Ihren Eltern nicht mehr klar kommen ...

Gewiß, diese Spannungen wird es immer geben und es liegt sicher auch etwas Gutes in diesen Spannungen, die uns immer wieder neu in Frage stellen, Ansprüche an uns stellen.Aber der spezifisch christliche Weg ist eben nicht, diesen Spannungen davon zu laufen, eine Partnerschaft aufzugeben, wenn es mal ernste Probleme gibt, oder die Eltern abzuschieben, wenn sie alt werden, von zu Hause wegzulaufen, weil es immer nur Knatsch gibt ...

Der Anspruch, den hier Christus stellt ist der, diese Spannungen in Liebe und TREUE zueinander auszuhalten.

Und da kann es vielleicht auch Situationen geben, wo diese TREUE zum anderen, zu dem wie er ist, eben heißt, ihn eigene Wege gehen zu lassen, das Zueinander neu zu ordnen.

TREUE heißt Zueinander, nicht Gegeneinander und auch nicht voneinander fortlaufen.

Und diese Treue meint auch der Gelehrte Jesus Sirach etwa 150 Jahre vor Christus, wenn er in der heutigen Lesung schreibt: "Mein Sohn, laß, solange du lebst, Deinen Vater nicht im Stich! Wenn sein Verstand abnimmt, sieh es ihm nach!" Von dieser Treue spricht auch Moses, wenn er den Israeliten das 4. Gebot gibt: "Du sollst Vater und Mutter ehren, solange sie leben." Und diese Treue ist schließlich auch gefordert, wenn wir bei der Trauung - das Wort kommt übrigens von Treue: wir trauen einander, wir vertrauen einander an - wenn wir bei der Trauung die Liebe und Treue versprechen, "bis das der Tod uns scheidet"!


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